Der große Einzugstag, der meine Obdachlosigkeit erstmal beendete und an dem ich mir viel vorgenommen habe, um in meiner Organisation vor Ort große Schritte voranzukommen: Bureau des Relations Internationals (dt.: Akademisches Auslandsamt) für die Abstimmung des Studienplans und die Organisation eines studentischen Standard-Transportmittels - ein Fahrrad.
Nachdem ich eine Nacht mit dem Schlafsack auf dem Boden biwakiert habe (dafür
kostenfrei ), hatte ich am Morgen einen Termin mit der Besitzerin des
Appartements und wurde abermals von der französischen Verwaltungsmaschinerie in
Beschlag genommen. Viele verschiedene Formulare warteten darauf von mir
ausgefüllt und mit einem dazugeschriebenen "lu et approuvé" (dt.: gelesen und
genehmigt) unterzeichnet zu werden. Der Akt zog sich weit mehr als 2 Stunden
hin. Vergleicht man dahingegen den Einzug ins Studentenwohnheim Berlin steht
meinem Einzug in Frankreich ein kurzer "Schnack" mit der Wohnheimsverwaltung und
einer einzigen kleinen Unterschrift unter meinem Mietvertrag entgegen. Aber auch
das nochmalige Geldholen für Mietvorauszahlung und Kaution in bar und eine Liste
an Formalitäten, die ich auch noch danach zu erledigen hätte (Versicherungen,
Bürgschaft meiner Eltern etc.) konnten mich nicht in meiner Freude trüben.
Nachdem alles erledigt war, musste es schon mal drin sein, mich erstmal auf
"mein Bett" zu schmeißen und einen Moment über den Stress der vergangenen Tage
zu sinnieren.
Doch viel Zeit hatte ich nicht, denn mein Plan für den Tag war eng gestrickt. Aber nachdem ich die Uni erreicht habe, wo ich im Bureau des Relations Internationals einiges zu klären gehabt hätte, erfuhr ich an der Tür, dass dieses heute geschlossen sei und mein Zeitplan lichtete sich wieder etwas aus.
Also auf zum Decathlon, einer großen Sportgeschäftekette, die auch einen Markt
in der Nähe des Campuses hatte. Ich war auf der Suche nach einer Badehose, die
ich fürs week-end d'intégration (Integrationswochenende) brauchte - in
französischen Schwimmbädern sind nämlich Badeshorts aus hygienischen Gründen
verboten. In diesem Sportdiscounter wollte ich mich auch nach einem günstigen
Fahrrad umsehen, das ich dann im kommenden Sommer wieder verkaufen wollte. Ich
entschied mich für diesen Weg, obwohl es hier so genannte Métrovélos
gibt, die man sich für EUR 15 pro Monat und einer Kaution von EUR 90 leihen
kann. Für meine 10 Monate hier hätte ich also EUR 15*10 = EUR 150 zu zahlen
und hätte keine Sorgen wegen grundlegender Reperaturen, die inclusive sind. Da
ich jedoch durch die Anreise mit meinem Motorrad einen kleinen Grundstock an
Werkzeug dabei hatte, entschied ich mich dazu mir ein Fahrrad für unter EUR
100 zu kaufen und es am Ende wieder zu verkaufen. Hinzu kam, dass die
Métrovélos eine für mich unangenehme Sitzhaltung erforderten. Die dritte
Möglichkeit, auf einem Trödelmarkt ein gebrauchtes Rad zu kaufen, wollte ich aus
Angst vor einem Fehlkauf nicht wahrnehmen, aber ich kenne genug Leute, die damit
gute Erfahrung gemacht haben - man munkelt auch, dass man auf diesen Märkten
auch seine gestohlenen Fahrräder unter Umständen gegen einen kleinen Aufpreis
wiederbekommt. Die fehlende Vielfalt der Fahrräder im Decathlon in der von
mir angestrebten Preiskategorie zeigte, dass ich nicht der Einzige und vor allem
nicht der Erste Student mit dieser Idee war - die Angebote waren regelrecht
leergefegt. Nachdem ich das günstigste Fahrrad für EUR 79,90 ohne
Gangschaltung draußen Probe gefahren habe, beschloss ich doch noch zu warten und
aus der nächsten Lieferung ein besseres Rad für EUR 99,90 zu nehmen. Anbei
gesagt ist eine fehlende Gangschaltung für ein reines Stadtfahrrad auch in
dieser Ecke der Voralpenregion nicht weiter wild, da Grenoble als die flachste
Stadt Frankreichs gilt.
Nachtrag: Auch dieses Fahrrad, welches ich jetzt fahre, ist eigentlich eher ein Behelf. Das vom Hersteller "Rockrider" genannte Gefährt, wurde von mir in Schrottrider eingedenglischt umgetauft, da die Qualität der verwendeten Teile natürlich auch dem Preis angemessen sind. Ich denke die Shimano-Schaltung wird das teuerste am Rad sein und den laveden Bremsen würde ich nicht mein Leben anvertrauen, wenn man es wirklich, wie gedacht, als Mountainbike nutzen wollte. Aber zumindest wurde es komplett Verkehrssicher ausgeliefert, obwohl es hier eh keinen interessiert, ob man z.B. mit oder ohne Licht fährt oder wieviele "Katzenaugen" aus den Speichen gucken.
Ich beendete meinen Tag mit meinem ersten Einkauf im nahe gelegenen Casino Supermarché und verstaute mein nicht allzu üppiges Gepäck in meinem neuen Zimmer. Nach dem Abendbrot mit meiner Mitbewohnerin versuchte ich für das kommende Integrations-Wochenende mit Überraschungsziel etwas Schlaf zu tanken.